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Selbst das Ballett trainiert online

Dienstag, 11.20 Uhr im Ballettsaal des Theaters Hof: Isabella Bartolini und Norbert Lukszewski aus der hauseigenen Ballett-Compagnie haben eben einige elegante Sprünge gewagt sind ziemlich außer Atem. Zu zweit teilen sie sich den großen Ballettsaal, in dem normalerweise die zwölf Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie gemeinsam trainieren. Aber das ist aktuell nicht möglich. Wegen Corona.
Stattdessen steht ein Laptop auf dem Klavier, auf dem in Form eines Online-Meetings nicht nur die anderen zehn Compagnie-Mitglieder, sondern auch Ballettdirektorin Barbara Buser und ihre Assistentin Daniela Meneses, die das Training an diesem Tag leitet, sowie Ballett-Pianistin Aya Masaoka zugeschaltet sind – alle live aus ihren Wohnzimmern.
Während Daniela Meneses erklärt und demonstriert, wie die nächste Übung abläuft, spielt Aya Masaoka am heimischen Flügel kurze Trainings-Musiken ein. Um 11.30 Uhr sind die 90 Trainings-Minuten vorbei. Daniela Meneses bedankt sich bei den Tänzerinnen und Tänzern für ihren Einsatz, erkundigt sich, wie es ihnen geht und endet mit den Worten: „Denkt daran: die Pandemie ist noch nicht vorbei!“.
„Für uns bedeutet das Online-Training sehr viel, denn zum einen ist es eine Möglichkeit, sich wenigstens ein bisschen zu bewegen, und zum anderen ist es für uns wichtig, uns wenigstens online einmal am Tag für 90 Minuten zu sehen“, berichtet Barbara Buser. Sie ist nicht nur die Direktorin der Compagnie, sondern fühlt sich auch wie eine Mama der zwölf Tänzerinnen und Tänzer aus allen Teilen der Welt. Viele von ihnen sind noch sehr jung, und der Ballettdirektorin ist es wichtig, Ansprechpartnerin für sie zu bleiben – besonders in der aktuellen Krise.
„Natürlich ist das Online-Training kein Ersatz für unser „echtes“ tägliches Training im Ballettsaal, aber es ist eine schöne Sache, denn man kann sich gemeinsam ein bisschen bewegen, konzentrieren und arbeiten. Wir mussten etwas tun, denn wir sind mitten in der Spielzeit, wissen nicht, wann wir wieder tanzen dürfen – und wir müssen fit bleiben“, so die Ballettmeisterin.
In den Wochen direkt nach der coronabedingten Theater-Schließung am 17. März fand zunächst gar kein Training statt. Seit Ende April gibt es nun das Online-Training, wie bei vielen Ballett-Compagnien im In- und Ausland. Zu Beginn durften nur eine Tänzerin oder ein Tänzer im Ballettsaal mittrainieren, nach einigen Tagen wurde die Zahl auf zwei erhöht, und mittlerweile dürfen sich bis zu drei Tänzer gemeinsam im Ballettsaal bewegen – allerdings mit einem Mindestabstand von sechs Metern.
Auf die Frage, wie die Tänzer selbst das Online-Training bewerten, antwortet Norbert Lukaszewski: „Es ist sehr anstrengend, weil man Kraft verliert, aber es ist besser als nichts“. Isabella Bartolini fügt hinzu: „Man kann zuhause nicht springen – zum einen, weil kein Platz ist, und zum anderen wegen der Nachbarn, daher sind wir nach wenigen Sprüngen schon außer Atem“. Stattdessen findet viel Training an der Stange (oder am Fenster oder Stuhl, wie Norbert Lukaszeweski schmunzelnd einwirft) statt, und natürlich trainiert auch jeder für sich, zum Beispiel im Freien – denn bei Ballett handelt es sich um Hochleistungssport.
Nach dem Dehnen und Verschnaufen steht noch eine neue Aufgabe für die Tänzer/innen auf dem Programm: sie greifen zum Putzeimer, der schon vor der Tür bereitsteht, und wischen und desinfizieren des Boden des Ballettsaals. „Zum Glück ziehen alle an einem Strang“, resümiert Ballettdirektorin Barbara Buser.

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