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„Ich habe in Hof mein Paradies gefunden“

Der Phrase zur Eröffnung des Gesprächs mit Wladimir Polatynski, er sei ja nun über 30 Jahre in Hof gewesen, widerspricht der scheidende Bassist aus dem Chor des Theaters Hof sofort vehement: „Ich WAR nicht in Hof – ich BIN in Hof!“ Und lacht. Überhaupt lacht er viel und herzlich, der 65-jährige Sänger, der in Oberschlesien geboren wurde und 1983 nach Hof kam.

Nach seinem Studium in Warschau und ersten Engagements als Solist an der Staatsoper Warschau und bei den Bregenzer Festspielen sowie einer Zeit als Chorsänger am Staatstheater Nürnberg holt ihn der damalige Intendant Gerd Nienstedt ans Städtebundtheater Hof. „Die Kollegen aus Nürnberg haben mich belächelt und gefragt, was ich in Hof, direkt an der Grenze, in einem Theater, das bald schließen werde, wolle“, erinnert sich Wladimir Polatynski. Trotzdem spürt er sofort eine Sympathie für die Saalestadt und entscheidet sich für das Engagement als Chor-Bass ab 1983 – und er wird diese Entscheidung nie bereuen; im Gegenteil.
Als seine glücklichsten Jahre mit den intensivsten Erfahrungen beschreibt der Sänger seine Zeit in Hof: den Anfang unter den Intendanten Gerd Nienstedt und Reinhold Röttger noch im alten Theater an der Schützenstraße, wo es extrem familiär zuging. Den Umzug 1994 in den Theater-Neubau an der Kulmbacher Straße, über den er mit funkelnden Augen spricht: „Nicht genug damit, dass das Theater nicht geschlossen wurde – wir haben sogar einen wunderschönen Neubau bekommen, um den wir noch heute von vielen Kollegen beneidet werden“, so Polatynski. Und ausgerechnet in der Eröffnungspremiere jenes Neubaus darf er die Solo-Partie des Maseto in „Don Giovanni“ übernehmen – die Freude darüber ist ihm noch heute beim Erzählen vom Gesicht abzulesen.
Immer wieder darf er sowohl unter seinem dritten Hofer Intendanten Uwe Drechsel als auch unter dessen Nachfolger Reinhardt Friese Solorollen übernehmen. Er lobt alle Intendanten nicht nur für ihre Regie-Arbeiten und ihr künstlerisches Verständnis, sondern auch als Menschen. Auch den ehemaligen Musikdirektor Arn Goerke nennt er als großen Fürsprecher, der ihm immer wieder Soloverpflichtungen gegeben und somit seine künstlerische Entwicklung maßgeblich geprägt hat.
Wladimir Polatynski schwärmt nicht nur von den Menschen, die er in 40 Bühnenjahren getroffen hat, sondern auch vom Theater selbst. Er liebt die Bretter, die die Welt bedeuten, das ist deutlich zu spüren. So verwundert es nicht, dass auch die beiden Erlebnisse, die er als die emotionalsten seines Lebens bezeichnet, mit dem Theater zusammenhängen. Zum einen ist dies der tragische Tod eines Kollegen, während beide gemeinsam auf der Bühne im Hofer Studio standen. „Aber die Vorstellung musste weitergehen, das Leben auch – das habe ich dabei gelernt“, so der sympathische Bassist.
Nachdem er dann selbst so massive Herzprobleme bekommen hatte, dass er längere Zeit der Bühne fern bleiben musste, hat sich das zweite für ihn hochemotionale Ereignisse zugetragen: Während jener langen Bühnen-Pause brachte ein Kollege einen Blumenstrauß bei Wladimir Polatynski vorbei – geschickt von Intendant Reinhardt Friese, versehen mit einer handgeschriebenen Karte mit persönlichen Genesungswünschen. „Das war für mich ein Zeichen der Freundschaft und Anerkennung, das mir Kraft und Mut gegeben hat, wieder auf die Bühne zurückzukehren“, erzählt er.
31 Jahre hat er am Theater Hof und in Hof verbracht – und er schwärmt davon in den höchsten Tönen: „In Hof kam meine Tochter zur Welt, ich habe jede freie Sekunde zwischen den Proben am Untreusee verbracht, konnte immer zu Fuß gehen und mich fit halten – ich habe in Hof viel mehr bekommen, als ich gesucht hatte! Und ich bin begeistert von der Entwicklung, die Hof von einer ehemaligen Zonenrand-Stadt hin zu einer modernen, noch lebenswerteren Stadt durchgemacht hat“, sagt Wladimir Polatynski. Neben der Arbeit am Theater hat er in Ludger Stühlmeyers Ensemble „Capella Mariana“ in der Marienkirche mitgewirkt und zahlreiche Konzerte zusammen mit Eva Gräbner gegeben.
Immer wieder betont er, wie sehr er die Stadt Hof, ihre Einwohner und alles, was er hier erlebt hat, liebt: „Aus schwierigen Umständen in Warschau kommend konnte ich in Hof ein glückliches, friedvolles Leben genießen. Daher bleibe ich, denn: Hof is schee! Ich habe hier mein Paradies gefunden – und wer würde das Paradies verlassen, wenn er einmal da ist?“, lacht der 65-jährige.
Zeitweise wird er zwar nach seinem Abschied vom Theater während der kalten Monate abwesend sein, um seiner großen Leidenschaft, dem Tauchen, Schnorcheln und Schwimmen möglichst am Roten Meer nachzugehen; aber sein Herz lässt er in der Saalestadt. Und als Abschied sieht er seinen Renteneintritt auch nicht wirklich, denn er hofft, dass er weiterhin im Theater aufgenommen wird – aber ohne Vorsingen: Ab September möchte er das Theater aus der Zuschauerperspektive genießen. „Viele fragen, ob ich unglücklich darüber bin, das Theater nun als aktiver Sänger zu verlassen. Und ich antworte: Nein. Ich bin glücklich, das Theater 40 Jahre lang gehabt zu haben“.  Text und Foto: Christine Wild

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