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Schüler erforschen jüdische Geschichte

Gabi Böttcher von der VHS Landkreis Hof (links) und Dr. Gisela Strunz (rechts) von der Hermann und Bertl Müller-Stiftung haben den Schülerwettbewerb vorbereitet. Foto: Christine Wild

Gabi Böttcher von der VHS Landkreis Hof (links) und Dr. Gisela Strunz (rechts) von der Hermann und Bertl Müller-Stiftung haben den Schülerwettbewerb vorbereitet. Foto: Christine Wild

„Nach Vorträgen von Dr. Werner Schmiedel zum Thema „Hof im Nationalsozialismus“ wurde mir klar, dass wir über „unsere“ jüdischen Hofer zur Zeit des Dritten Reiches kaum etwas wissen“, erinnert sich Dr. Gisela Strunz, die Vorsitzende der Hermann und Bertl Müller-Stiftung. Sie wandte sich daraufhin 2014 an den damaligen Vorsitzenden des Nordoberfränkischen Vereins für Natur-, Geschichts- und Landeskunde („Langnamenverein“) Dr. Arndt Kluge. Auch er wollte schon seit Längerem ein Forschungsprojekt über die Schicksale der Hofer Juden in der NS-Zeit starten, denn andere bayerische Städte hatten längst diesen Teil ihrer Stadtgeschichte aufgearbeitet. Doch es fehlten die finanziellen Mittel dazu.
Mit der Müller-Stiftung hat Dr. Arndt Kluge dann einen Finanzier für eine – wie man damals glaubte – rein historische Studie gefunden. „Antisemitismus war vor 2015, also vor der Flüchtlingskrise, in der öffentlichen Diskussion kaum ein Thema“, so Dr. Gisela Strunz. Gerade in Deutschland glaubte man aus dem millionenfachen Mord an Juden gelernt zu haben und weitgehend gegen blindwütigen Antisemitismus gefeit zu sein. Um das Thema dennoch aufzuarbeiten und ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, wurde der Historiker Dr. Ekkehard Hübschmann mit dem Forschungsprojekt „Jüdische Familien in Hof, Schicksale und Verfolgung im Nationalsozialismus“ beauftragt.
Doch nach dem plötzlich aufflammenden Judenhass in der jüngsten Vergangenheit wurde schnell klar, dass die Studie nicht nur historisch Interessierte erreichen sollte, sondern vor allem junge Menschen mit teilweise erschreckenden Unkenntnissen über diesen Teil der deutschen Geschichte.
Daher lobt die Müller-Stiftung einen Schülerwettbewerb an allen Hofer Schulen ab der 9. bzw. 8. Klasse an den Mittelschulen aus. Sein Thema lautet: „Schicksale der jüdischen Hofer im Nationalsozialismus – das Problem heißt Antisemitismus“. Als Partner für die Begleitung und finanzielle Unterstützung des Wettbewerbsprojekts konnte „Demokratie leben“ gewonnen werden.
Ziel des Wettbewerbs ist es, auf der Grundlage der Forschungsarbeit von Dr. Ekkehard Hübschmann bei den Jugendlichen gerade über den lokalen Bezug emotionale Verbundenheit mit den damaligen Opfern zu erzeugen und zur Reflexion über heutige Ausgrenzung, Gewaltbereitschaft und das Entstehen von Verfolgung anzuregen. „Es sind erschütternde Geschichten über die Schicksale von Hofer Familien, die einem sehr nahe gehen“, so Dr. Gisela Strunz. Die Forschungsarbeit zeigt, dass die jüdischen Hofer nicht anonyme Opfer, sondern ganz normale Mitmenschen mit Familie, Beruf und unterschiedlicher Glaubenszugehörigkeit waren.
Von Januar bis September 2019 können sich Schulklassen, aber auch Arbeitsgruppen oder einzelne Schüler am Wettbewerb beteiligen. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: ob Internetauftritt, Filmproduktion oder Fotoausstellung, Dokumentation oder (echte bzw. virtuelle) Stadtspaziergänge zu den früheren Wohnungen, Geschäften und Werkstätten der jüdischen Nachbarn. Als Partnerin für die Organisation des Schülerwettbewerbs konnte die Volkshochschule Landkreis Hof unter der Leitung von Ilse Emek gewonnen werden. Projektverantwortliche ist Gabi Böttcher, die in der VHS die Abteilung Integration und Schulprojekte leitet.
Angesichts eines offen zutage tretenden Judenhasses und verdeckten Antisemitismus sowie Anti-Israelismus in Teilen unserer Gesellschaft wünschen sich die Ausrichter bei den Schülern den Transfer der Erkenntnisse über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus auf die Gegenwart. „Wir möchten über diesen Wettbewerb die notwendige historisch-politische Bildungsarbeit intensivieren und bestenfalls die jungen Menschen als Akteure gewinnen“, so Gabi Böttcher.
Bisher haben bereits die Hofer Gymnasien, die Realschule, die Berufsschule, die Mittelschulen, die VHS-Integrationsklasse und die Berufsvorbereitungsmaßnahme der VHS Interesse bekundet. „Die Teilnahme der Mittelschulen liegt uns besonders am Herzen. Daher freuen wir uns sehr, dass gerade die drei Rektorinnen der Mittelschulen großes Interesse zeigen und schon kreative Ideen, zum Beispiel die Gestaltung eines Theaterstücks zum Thema, eingebracht haben“, berichtet Gabi Böttcher.
Seit Herbst 2018 bis September 2019 gibt es außerdem ein attraktives Begleitprogramm zum Thema „Antisemitismus“ mit Gesprächen mit Zeitzeugen, Lesungen, Vorträgen, Filmreihen, Exkursionen, zum Beispiel in das Jüdische Museum in Berlin am 30. März und zur Israeltischen Kulturgemeinde nach Nürnberg am 31. Mai. Am 9. April findet der Vortrag „Ursachen, Funktion und Wirkung von Antisemitismus“ an der Hochschule in Hof statt.

Noch bis zum 31. Januar ist es möglich, sich bei der VHS Landkreis Hof unter info@vhs-landkreis-hof.de über den Schülerwettbewerb zu informieren und zur Teilnahme anzumelden.

Bereits im November 2018 war dem Thema „Jüdische Familien in Hof – Schicksale und Leidenswege im Nationalsozialismus“ ein zweitägiger Aktionsreigen in Kooperation mit der VHS Landkreis Hof, der Müller-Stiftung, der Stadt Hof und „Demokratie leben“ gewidmet. An den Veranstaltungen nahmen als Ehrengäste mehrere Nachkommen von geflüchteten jüdischen Hofer Familien aus England und Süddeutschland teil. Sie waren extra nach Hof gekommen, um mehr über die Geschichte ihrer Vorfahren zu hören, und vom herzlichen Empfang berührt. Sie wollen auch zur Verleihung der Preise im Gesamtwert von 5000 Euro am 7. November 2019 nach Hof kommen. Neben den Siegern dürfen sich ebenfalls die betreuenden Lehrkräfte freuen; denn auch die Betreuer der besten Projekte werden ausgezeichnet. Christine Wild

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