
So kennen die Pro-Hof-Mitglieder Bertram Popp: Der Leiter des Oberfränkischen Bauernhofmuseums Kleinlosnitz war in der Vergangenheit immer wieder Gastgeber für zünftige Feste und Stammtische auf dem Museumsgelände. Foto: Annette Köhler
Als das Musterbeispiel für einen Geisteswissenschaftler, der die Sprache der Menschen spricht und sich für seine Heimat und ihre Mundart engagiert, ist Bertram Popp mit dem Bayerischen Dialektpreis 2018 ausgezeichnet worden. Der Leiter des Oberfränkischen Bauernhofmuseums Kleinlosnitz und Kreisheimatpfleger für den Landkreis Hof setzt sich nicht nur für die Bewahrung von Dialekt und Gebräuchen ein, sondern ist als Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik – Bezirk Oberfranken“ auch maßgeblich an der Erhaltung und Förderung der fränkischen Volksmusik, des Volkstanzes und des Volksliedes beteiligt. Außerdem sorgt er als Jury-Mitglied für das „Oberfränkische Wort des Jahres“ mit dafür, dass althergebrachte Begriffe nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Wir haben nachgefragt bei Bertram Popp:
Wodurch ist unser Dialekt heute am meisten bedroht?
Man muss bei dieser Frage unterscheiden zwischen der Sprachfärbung einer bestimmten Mundart und speziellen Wörtern, die es nur in der jeweiligen Region gibt. Wenn man mit einem bestimmten Dialekt aufgewachsen ist, geht die Sprachfärbung wohl nie ganz verloren – auch nicht, wenn man sich vielleicht aus beruflichen Gründen ums Hochdeutsche bemüht. Besondere regionaltypische Wörter allerdings schwinden zunehmend aus unserem Sprachgebrauch.
Worauf ist dieser Verlust an einheimischen Wörtern zurückzuführen?
Das hat unter anderem mit dem Wandel der Arbeits- und Lebensverhältnisse zu tun. Ein gutes Beispiel dafür ist das südwestdeutsche Wort Meltern für einen Handmelkeimer. Das Wort ist auch deshalb ausgestorben, weil heutzutage niemand mehr mit der Hand melkt. Aber nicht nur die Landwirtschaft und ihre Begriffe haben sich gründlich gewandelt, auch viele andere Arbeitsbereiche verändern sich oder gehen unter. So hatten die Handweber oder auch die Porzelliner bei uns ihren jeweils ganz besonderen Jargon. Die gute Nachricht ist, dass Spezialbegriffe aus der früheren Arbeitswelt in abgewandelter Form überlebt haben.
Herumflachsen oder spinnen zum Beispiel?
Ja, allein aus dem Textil-Bereich früherer Zeiten gibt es abgewandelte Wörter, die sich überregional oder auch nur lokal erhalten haben. Sich verhaspeln ist sehr gebräuchlich. Das Waafen für ausufernd daherreden gibt es nur bei uns. Es kommt von der Weife, einem Gerät, mit dem der Faden aufgewickelt wurde. Das war eine monotone Bewegung, die ähnlich langweilig gewesen sein muss wie vollgewaaft zu werden.
Warum haben es Begriffe, die doch so anschaulich sind, oft nicht über eine kleinere Region hinaus geschafft?
Früher war man viel mehr unter sich als heute. Manche Leute kamen aus ihrem Dorf nie heraus. Die Sprache prägte sich nicht nur am Arbeitsort, sondern auch im jeweiligen Wirtshaus und wurde dort weitergegeben. Allein im heutigen Hochfranken hat sich damals, als man auch durch fehlende Verkehrswege untereinander abgeschnitten war, eine unglaubliche Vielfalt an Abwandlungen des Fränkischen entwickelt. Redn, song oder sprong sind Beispiele oder Schei, Scheuer, Stadl, Stodl oder Stoudl.
Wird die Globalisierung solche Unterschiede langfristig plattmachen oder eher verstärken?
Ich glaube eher, dass sich die Unterschiede erhalten werden. Angesichts von Ängsten wie gegenüber der Globalisierung ist es eine ganz logische Entwicklung, dass man seine Eigenheiten wieder mehr betont, um sich abzugrenzen.
Ihr Arbeitsplatz im Bauernhofmuseum Kleinlosnitz liegt in einer absoluten Idylle, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Hätten Sie gerne früher gelebt, als die Welt scheinbar noch in Ordnung war?
Ich halte es da mit den meisten unserer Besucher, die sich ganz eindeutig froh darüber äußern, heute zu leben. Auch unsere spielerischen Aktionen, mit denen wir Kindern die früheren Zeiten näher bringen wollen, können natürlich die tatsächlichen Mühen, Plagen und die immense Arbeitsbelastung nicht wirklich abbilden.
Wo lagen die größten Mängel und Einschränkungen im Vergleich zu heute?
Die Enge, Dunkelheit und Kälte in den Häusern wird auch heute noch deutlich, wenn man das Museum besichtigt. Außerdem war eine Riesenarbeit nötig, um wenigstens den Lebensunterhalt einer Familie zu erwirtschaften. Aber das ist längst nicht alles. Man war ja nicht frei, sondern gehörte bis ins 19. Jahrhundert hinein als Untertan faktisch dem jeweils Herrschenden. Nicht mal eine Familie konnte man gründen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Außerdem musste man einen festen Wohnsitz beziehungsweise Grundbesitz nachweisen. Allein diese wenigen Beispiele zeigen, wie sehr viel besser es uns heutzutage geht.
Manfred Köhler
Bertram Popp ist 1959 in Münchberg geboren und wohnt heute in Schwarzenbach an der Saale. Nach einem Studium der Kulturpädagogik in Hildesheim fing er 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Oberfränkischen Bauernhofmuseum Kleinlosnitz an und übernahm 1990 dessen Leitung. Als Museumsleiter ist es ihm ein Anliegen, das einstige Leben rund um den Großen Waldstein darzustellen. Bertram Popp hat eine Reihe von historischen und volkskundlichen Studien vorgelegt und ist anerkannter Fachmann im Bereich der Hausforschung.