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Michael Zürner macht Hochzeitsfotos wie vor über 100 Jahren

Michael Zürner und seine Freundin Christa Herdegen mit der „Reisekamera Modell Nr. V von J.F. Schippang, Berlin“ beim diesjährigen Biedermeierfest in Bad Steben.

Michael Zürner und seine Freundin Christa Herdegen mit der „Reisekamera Modell Nr. V von J.F. Schippang, Berlin“ beim diesjährigen Biedermeierfest in Bad Steben.

„Keine SD-Karte, kein Akku – was soll ich damit?“, dachte Michael Zürner, als 2014 im Kleiderschrank seines verstorbenen Großvaters eine alte Laufbodenkamera auftauchte. Zwar hatte Zürner – hauptberuflich Krankenpfleger und Autodidakt in Sachen Fotografie – gerade eine kleine Firma gegründet. Doch sein Metier war die Digitalfotografie.

Ein knappes Jahr später, auf der Suche nach einem besonderen Hochzeitsgeschenk für seinen Freund, der ebenfalls passionierter Fotograf ist, fiel Zürner die alte Kamera wieder ein. „So schwierig kann’s doch nicht sein“, dachte er sich und stellte erste Recherchen über das gute Stück und dessen Handhabung an.
Heute weiß der junge Mann: Die Kamera gehörte seinem Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater Balduin Haag, der 1834 in Lichte in Thüringen geboren wurde und 1868 Zürners Elternhaus in Hohenberg an der Eger gebaut hat. Haag arbeitete für Hutschenreuther und betrieb nebenher ein kleines Fotostudio. Die Kamera – eine Reisekamera Modell Nr. V von J.F. Schippang, Berlin – und das dazugehörige Rodenstock-Objektiv hat er vermutlich zwischen 1895 und 1902 gekauft.
Das alte Gerät sechs Generationen später wieder zum Leben zu erwecken, war für Michael Zürner gar nicht so einfach. Nachdem er sich mehrere Nächte mit Recherchen in Internet, Uni-Bibliotheken und Antiquariaten um die Ohren geschlagen hatte, stieß er endlich auf ein altes Buch zum Thema Glasplatten-Fotografie. „Dort sind zig Varianten für Platten, Fixier-Möglichkeiten und Co aufgeführt. Ich habe mir die in meinen Augen einfachsten Rezepte ausgesucht und einen ersten Versuch gewagt.“
Wieder eignete sich der Krankenpfleger alles Know-how selbst an. Die Glasplatten für seine alte Kamera stellt er mittels Trockenplatten-Gelatine-Technik auf Silbernitrat-Basis her. Die Temperatur beim Gießen der Platten bestimmt den ISO-Wert; die Silber-Körnung die Auflösung – je feiner, desto besser, ähnlich wie bei den Megapixeln der Digitalfotografie.
Dass Michael Zürner aus einem Naturwissenschaftler-Haushalt kommt und in seinem Elternhaus in Hohenberg reichlich Platz für „Plattenküche“ und Fotolabor ist, war ihm bei seinem Vorhaben eine große Hilfe. Die einzelnen Chemikalien bezog er über Apotheken sowie einen speziellen Labor-Versand, für den er ein Formular über den Erwerb von „C-Waffen und Drogen-Rohstoffen“ ausfüllen musste. Alleine die Herstellung der Platten dauert drei Tage; stimmt die Luftfeuchtigkeit nicht, wird die Gelatine zu warm, oder gerät Leitungswasser statt destilliertem Wasser an die Platten, leidet das Ergebnis.

Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitungen lichtete die alte Laufbodenkamera 2015 zum ersten Mal seit 108 Jahren wieder Personen ab.

Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitungen lichtete die alte Laufbodenkamera 2015 zum ersten Mal seit 108 Jahren wieder Personen ab.

„Ich hatte anfangs eigentlich nur gehofft, dass die Idee mit einem besonderen Hochzeitsfoto für meinen Freund klappt“, erinnert sich der Krankenpfleger. „Dass man das tatsächlich größer aufziehen kann, hätte ich mir damals nicht träumen lassen.“ Zwar habe es etwas gedauert, bis sich ein Workflow etabliert hat, doch inzwischen holt Michael Zürner die Laufbodenkamera regelmäßig aus dem Schrank, um Hochzeiten, Jubiläen oder andere besondere Ereignisse festzuhalten.
Ist die Kamera aufgebaut, das Motiv ausgewählt und mittels der Rädchen am Holzgehäuse scharf gestellt, öffnet der Fotograf – von Hand – den Objektiv-Deckel zwei bis drei Sekunden lang, um die Glasplatte zu belichten. Zuhause in der Dunkelkammer, wenn er einen Kontaktabzug von der Glasplatte macht, sieht Zürner dann endlich, ob sich die Mühe gelohnt hat. Es sei immer wieder spannend, unter der Rotlicht-Lampe zu sehen, wie auf dem Foto langsam Konturen erscheinen. „Vor allem beim ersten Versuch hat mir das Herz ganz schön geklopft.“
Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die auf diese Weise entstehen, haben einen ganz besonderen Charme. Und das Hochzeits-Foto von 2015 – das erste Mal nach 108 Jahren, dass die alte Laufbodenkamera wieder Menschen porträtierte – war tatsächlich das perfekte Hochzeitsgeschenk … Sandra Langer

 

Mehr Infos über Michael Zürner, seine historische Laufbodenkamera und sein Angebot gibt es im Internet unter www.mizter-photo.com. Für Buchungen mit der alten Kamera bittet der Fotograf um eine Vorlaufzeit von zwei bis vier Wochen.
Auf der Hochzeitsmesse in der Hofer Freiheitshalle im Oktober können Interessierte Michael Zürner live bei der Arbeit mit seiner alten Kamera bewundern und die ein oder andere Frage loswerden.

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