
Ob kurz oder lang – der typische Gitterrock, das Samt-Mieder und eine Leinen-Bluse sind prägende Elemente der erneuerten Hofer Tracht. Schneidermeisterin Susanne Dürr achtet die historischen Grundlagen, bringt aber auch moderne Elemente ein. Fotos: Sandra Langer
Wenn sie bei der BR-Radeltour an den Start geht, schneidert sich Susanne Dürr schon mal eine Unterhose statt einem Unterrock ins Trachten-Kleid. Ansonsten greift die Schneidermeisterin aus Schwarzenbach an der Saale aber gerne auf historische Grundlagen zurück: „Eine Tracht spiegelt immer auch die Region wider“, sagt sie. „Andernfalls spricht man eher von Landhaus-Mode.“
Susanne Dürr ist Spezialistin für die sogenannte „erneuerte Hofer Tracht“, deren auffälligstes Merkmal der klassische Gitterrock ist. Bei dem Stoff mit dem charakteristischen Gitter-Muster handelt es sich um eine Sonderanfertigung aus einer heimischen Weberei, die es im Laden so nicht zu kaufen gibt. Die Stoffqualität weicht jedoch vom Original ab: Während man früher schwere, grobe Stoffe trug, präsentiert sich der Rock der erneuerten Hofer Tracht angenehm leicht.
Das Oberteil wird, heute wie damals, aus Samt gefertigt – allerdings nicht mehr nur im klassischen Schwarz, sondern in allen möglichen Farben, die mit dem Muster des Gitterrocks harmonieren. Dabei kommt die Hofer Tracht aber in der Regel dennoch eher dezent daher. Schneidermeisterin Dürr nennt das „fränkisch zurückhaltend“, betont aber, dass die Damen dennoch in „Samt und Seide“ gehen. Aus Seide wird die Schürze der Tracht gefertigt. Es handelt sich um eine Bahnenschürze, wie sie um 1900 herum sehr aktuell war. „Die ist schön glatt und schmeichelt der Figur“, weiß Dürr.
Bei allem Festhalten an alten Traditionen gilt auch beim Thema Tracht: „Jede Zeit hat ihre Mode.“ Galt es früher als schick, die Hüften zu betonen, wird heutzutage eine schlankere Silhouette bevorzugt. Der Rock wird deshalb nicht mehr rundherum gestiftelt, sondern nur noch im hinteren Bereich. Auch darüber hinaus gibt es eine Menge Möglichkeiten, Tracht ganz individuell zu gestalten: Bei kräftigeren Frauen beispielsweise bietet es sich an, einen Einteiler zu schneidern, der etwas streckt. Schmalere Damen bevorzugen dagegen die etwas modernere zweiteilige Variante. Kurz oder lang; ohne Bänder am Rock oder reich dekoriert wie bei den Landjugenden; mit schlichtem Samt-Oberteil oder mit einem aufwendiger gearbeiteten Rücken mit Schnurstepperei und etwas Glitzer; mit Porzellan-Knöpfen (die an die alte Porzelliner-Region erinnern) oder mit Stadtwappen-Knöpfen (wie bei der erneuerten Rehauer Tracht) … Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Wichtig ist nur, dass frau sich in dem maßgeschneiderten Gewand am Ende rundum wohlfühlt. „Das Leuchten in den Augen der Kundin ist mein schönster Lohn“, sagt Susanne Dürr. Wobei es längst nicht nur Frauen sind, die sich für die erneuerte Hofer Tracht entscheiden. „Mal sind es die Männer, die mit dem Thema anfangen, und mal die Frauen“, hat die Schneidermeisterin beobachtet. „Aber am Ende gehen meistens beide in Tracht.“
Die Männerweste der erneuerten Hofer Tracht besteht komplett aus bedrucktem Samt und beeindruckt mit einer vergleichsweise langen Knopfleiste. „Knöpfe waren früher ein Symbol für Reichtum“, erzählt Dürr, die gleichzeitig Mitarbeiterin des Oberfränkischen Bauernhofmuseums in Kleinlosnitz ist und sich Kraft ihres Amtes mit diesen Dingen auskennt. Außerdem steht sie in engem Kontakt mit der oberfränkischen Bezirks-Trachtenberaterin Dr. Birgit Jauering, mit der sie sich regelmäßig darüber austauscht, was historisch vertretbar und dennoch auch heute noch schön anzusehen ist.
Für das Innenfutter der Westen verwendet Susanne Dürr gerne original altes Leinen, das aus dem Bestand des Bauernhofmuseums stammt und über 100 Jahre auf dem Buckel hat. Die Hemden sind ebenfalls aus Leinen und werden nur bis knapp unter die Brust geknöpft. Sie haben einen klassischen Stehkragen und können mittels eines Monogramms auf dem Riegel individualisiert werden.
Leinen spielt auch bei der Tracht der Damen eine große Rolle, denn daraus werden die Blusen genäht, die frau unter dem Samt-Oberteil trägt. „Früher ist dieser Rohstoff bei uns gut gewachsen“, weiß Dürr, die im Museum regelmäßig Aktionen zum Thema Leinen anbietet. Denn welches Kind weiß heute noch, wie eine Flachs-Pflanze aussieht, und wie aus dieser der Leinen-Stoff entsteht?
In die Blusen der Damen arbeitet die Schwarzenbacherin gerne filigrane Muster ein: „Diese Stickereien erinnern an alte Traditionen im Frankenwald.“ Dürr genießt es, bei der Herstellung der Trachtenmode solche alten handwerklichen Techniken wieder aufleben zu lassen, „denn das kommt bei der Ausbildung zur Schneiderin viel zu kurz.“ Die Schneidermeisterin hat sich schon immer für Trachten interessiert und beschloss irgendwann, sich dieses Themas intensiv anzunehmen – „bevor es ganz verloren geht“.
Die Hofer Tracht gibt es nicht im Laden zu kaufen, doch Trachten-Freunde, die selbst des Schneiderns mächtig sind, können bei Susanne Dürr oder im Bauernhofmuseum Schnittmuster für die erneuerte Hofer Tracht bekommen und auch Stoffe beziehen. Den typischen Gitterstoff jedoch gibt es nur noch in sehr begrenzter Menge. Die Mindestabnahmemenge für eine solche Sonderanfertigung beträgt stolze 400 Meter. Bei der jüngsten Bestellung hat der Museumsverein diesen Stoff vorfinanziert. Doch wenn sich keine Sponsoren für eine weitere Bestellung finden, reicht der übrige Stoff Dürrs Schätzungen zufolge nur noch für rund zehn Gewänder.
Sollten genug interessierte Damen – oder natürlich auch Herren – zusammenkommen, kann Susanne Dürr sich auch vorstellen, noch einmal einen Kurs in Sachen „Hofer Tracht selbst schneidern“ zu organisieren. Ungefähr 50 Frauen haben dieses Angebot in der Vergangenheit bereits wahrgenommen und tragen nun stolz ihre selbst geschneiderte erneuerte Hofer Tracht.
Den typisch oberbayerischen Dirndl-Ausschnitt, der alles Holz vor der Hütt’n ansprechend präsentiert, sucht man an der fränkischen Tracht übrigens vergebens. Auch was das angeht, mögen es die Franken mit ihrem Sinn fürs Praktische eher schlicht …
Sandra Langer